Shirin Goldstein & Marc W1353L - Künstler/in Gespräch (ArtistTalk)

DysTanz


Anfang 2020 haben wir ein gemeinsames Projekt als „Künstler/in Gespräch“ mit offenem Ende begonnen, ein gemeinsames temporäres Atelier für erste Arbeitsproben haben wir im Künstlerhaus Plüschow gefunden und die Erstpräsentation eines gemeinsamen Beitrages fand im Juli 2020 unter dem Titel „Dystanz“ im Schaufenster von www.schnittstelle-neustrelitz.de statt. Weitere Beiträge zeigen wir in Kürze - unter anderem auch auf dieser Webseite.

DYSTANZ – Fotoinstallation 2020 Goldstein & W1353L.
Assoziativer Text: Caroline Barth M. A., Kunsthistorikerin & Künstlerin; seit 2019 Leiterin des Caspar-David-Friedrich-Zentrums in Greifswald

Was ist Wahrheit? Was ist Lüge? Können wir alles glauben, was wir sehen? Können wir den eigenen Augen noch trauen?
Schon lange nicht mehr. Und auch sonst keinem. Überall nur noch Fake News, die es schon immer gab und die früher mal Propaganda hießen. Aber Wahrheit ist subjektiv - das weiß doch jeder! “Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt!”1 Also tanze ich mit NATO-Draht. Schön sexy, aber immer schön Abstand halten. 1,50 Meter mindestens! Oder waren es nun doch ganze zwei? Was ist denn nun mit dem Tanz in Dis-tanz? Social Distancing oder gepflegt Corona zischen auf der nächsten Party? Ich bin verwirrt. Aber was soll’s! Stirbt nicht sowieso jeder für sich allein?

Die Fotografien von Shirin Goldstein und Marc W1353L – ein zeitgenössischer Totentanz.

Durch fotografische Mittel, wie etwa dem Einsatz verschiedener Perspektiven, der Wechselwirkung von Schärfe und Unschärfe im Bild, irisierenden Bearbeitungen und dem Übereinanderschichten mehrerer Ebenen, werfen die Digitalfotografien der beiden Künstler*innen Fragen auf, wie wir sie uns heute täglich stellen (müssen): Was können wir glauben? Was können wir tatsächlich wissen? Und was machen wir eigentlich mit dieser Wahrheit, wenn wir sie einmal freigelegt haben? Bringt es uns persönlich weiter, wenn wir die Dinge mal so richtig klar sehen? Wenn wir uns unsere eigene Sterblichkeit - genau hier, genau heute, genau jetzt – ins Bewusstsein rufen, ganz im Sinne des barocken Memento Mori. Oder ist die Ästhetik nicht eigentlich viel geiler mit ein bisschen Rosa, mit ein bisschen Rausch? Wenn wir den NATO-Draht tanzen lassen und das Leben feiern, indem wir uns der Möglichkeit der (Selbst-)Verletzung hingeben und die Facetten unserer Sterblichkeit entfalten? Trauste dir wohl nich, wa?! Und was würden eigentlich die vielen Geflüchteten dazu sagen, die an Europas Grenzen im Mittelmeer oder in einem solchen Draht verenden?

1) Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf, kurz „Pipi Langstrumpf“ Astrid Lindgren) .

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